CORDULA ALESSANDRI – INTERVIEW/
Gastlehrerin der MeisterInnenschule 2018/19
Du setzt bei deiner Agentur auf analoge, sinnliche und haptische Arbeitsweisen. Ist dieser Weg in Zeiten digitaler Welten erfolgreich?
Grundsätzlich gestalten wir nicht mehr Analoges als andere. Aber was die Arbeitsweise betrifft, stimmt das. Vielen jungen Talenten, die ich bei uns im Studio dann 4—5 Jahre aufbaue, sage ich immer wieder: ›So, das wird jetzt nicht am Computer gemacht — druck es doch aus, schneid es und klebe die Komposition.‹ bzw. laufen viele Entwürfe und Studien über Handarbeit. So lernen sie Sehen und die Kompositionen sind schneller am Punkt, auch wenn sie letztendlich digital umgesetzt werden. Selbst Schriften kleben wir mit Tixo oder wir sehen uns einen Entwurf im Spiegel an, weil man dabei Fehler viel schneller erkennt.
Schätzen die Kunden das?
Bereits im Offert einer Wort-Bildmarke bieten wir Handlettering an und erklären dem Kunden, dass er dadurch ein unverwechselbares Corporate Design bekommt und niemand diese Logotype einfach aus einem Schriftfont nachsetzen kann. Mit Designern wie Thomas Gabriel, der, so wie einige andere brilliante Talente aus meinem Netzwerk, von der ›Graphischen‹ kommen, klappte das fabelhaft. Und das verstehen die KundInnen, auch wenn sie im Grunde visuelle ›Laien‹ sind.
Wenn sich jemand bei dir bewirbt, auf was schaust du? Meistens bringen junge DesignerInnen ja auch einen frischen Wind in eine Agentur, was ist dir hier wichtig?
Die einen sind begabte IllustratorInnen, andere wieder sind Typofreaks, manche sehr gut in Text und Konzept oder einfach gut in der gesamten Komposition. Diese verschiedenen Talente richtig einzusetzen, teamfähig zu machen, Ihnen beizubringen sich gegenseitig zu stärken, die Liebe zum Detail und zur Perfektion zu vermitteln — das ist wohl meine größte Stärke. Hier ist die Größe meines Studios in gewisser Weise ideal — es ist klein genug um gut zu kommunizieren und groß genug für eine spannende Mischung. Und da ich das jeweilige Talent fördere und mithelfe Ideen zu realisieren, ist der Output meines Studios recht bunt und nicht in einem bestimmten ›Alessandri‹-Stil, sondern recht unterschiedlich. Alessandri-adäquat ist am ehestens, dass wir sehr gut in ›Storytelling‹ sind.
Du hast ja bei uns an der Meisterschule unterrichtet, was hat dich positiv gestimmt, was siehst du verbesserungswürdig?
Ihr habt ausgesprochene Talente hier versammelt. Ich habe viele überraschende Konzepte gesehen, humorvolle Ideen und auch Ungewöhnliches im Entwurf. Fünf Studierende wollen ab Herbst auf die Angewandte gehen. Eigentlich bräuchten sie nach diesem Jahr bei euch keine weitere Ausbildung mehr — also nach der Graphischen müssten die Leute höchstens nur noch erwachsen werden und dafür sind weitere Studienjahre natürlich gut. Möglichweise bekommen die Studierenden von euch zu viele Projekte. Andererseits könnte man noch viel mehr tun. Da ist immer noch so ein schulisches Denken in allen Köpfen und manche Projekte könnte man schneller und straffer abschließen, um wieder mit etwas anderem zu beginnen. So wie wir es in der Arbeitsrealität auch tun.
Was könnte man an der Ausbildung ändern?
Ich nehme sehr gerne Deutsche. Denn die müssen noch während der Ausbildung durchgehend ein halbes Jahr Praktikum machen. In Österreich ist das nicht vorgesehen. Alle Studierenden wollen zwischen einem und maximal 3 Monaten Praktikum machen, egal ob Angewandte oder egal welche Bildungsstätte, da kommen sie und sagen sie würden gerne im Sommer einen Monat machen und ich sage: ›Unter 2—3 Monaten bringt es euch gar nichts und uns auch nicht‹. Auch die Schule würde viel realitätsnäher arbeiten können, mit so einem System.
Was noch — auch angesichts der Medienumbrüche rund um uns?
Wenn es um Inspiration und Kreativität geht, geht es zu allererst um Allgemeinbildung und zwar auf verschiedensten Ebenen. Wenn du nichts über Literatur weißt, verstehst du nichts von Komposition, wenn du noch nie bewusst ein Oratorium angehört hast, verstehst du nichts von Harmonie, ohne Theaterbesuch hast du auch keine pfiffige Idee für einen Point of Sale. Allgemeinbildung ist das Um und Auf!
Und im gestalterischen Unterricht?
Hier sehe ich Typografie als Grundlage von so vielem. Hier vereinen sich Sinn, Gestaltung und Kommunikation wunderbar. Wer diesen Zusammenhang verstanden und in der Gestaltung erlebt hat, geht auch an Bildkompositionen anders ran. Jungen Menschen klar zu machen, dass es nicht um ›schön oder hässlich‹ geht, das ist ein zweiter Punkt. Du warst jetzt ein Jahr Gastprofessorin bei uns in der Meisterschule, hast du noch einen
Tipp für uns?
Ihr könnt euch ruhig trauen, weniger brav zu sein. Der Preis eurer wirklich einzigartigen, fundierten Ausbildung ist oft das ›Querdenken‹. Das solltet ihr mehr zulassen. Da könnt ihr euch ruhig noch mehr leisten.